Besichtigung von Romainmôtier, 06.11.2019

Sage und schreibe 48 Personen meldeten sich für meine letzte Tour als Wanderleiter an. Meistens aus gesundheitlichen Gründen mussten sich dann sechs Personen abmelden. Dieses Zeichen treuer Verbundenheit von so vielen Frauen und Männern, die mich auf meinen Touren begleitet hatten, freute mich sehr. Die treuste und langjährigste Begleiterin war Margret Schwerzmann. Sie verpasste wohl keine meiner 15 Zweitagestouren in der Innerschweiz und war ein regelmässiger Gast auf meinen rund 100 Werktagstouren.
Zum Glück hielt ich in der Tourenausschreibung fest, dass die Wanderung bei jeder Witterung stattfindet. Weil sich seit Tagen ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen jagte, entschied ich mich, die Wanderung abzukürzen. Diese war aber an diesem Tag ohnehin nur zweitrangig. Im Mittelpunkt stand die Besichtigung der ältesten und bedeutendsten romanischen Klosterkirche der Schweiz. Urs Staub, Ehrendoktor der Universität Freiburg, Kunsthistoriker, Theologe und Ägyptologe, nahm sich die Zeit, der Gruppe während eineinhalb Stunden die Geographie der Region sowie die politischen und kirchengeschichtlichen Zusammenhänge über die Zeitspanne von rund 1‘500 Jahren aufzuzeigen. Äusserst spannend schöpfte der Referent aus seinem reichen Fundus. Er kam uns vor wie ein wandelndes Lexikon und wies uns auf zahlreiche kunsthistorische Details am Bau und an der Innenausstattung hin. Wir hätten ihm noch lange zuhören können. Der starke Applaus war mehr als verdient. Herzlichen Dank, Urs Staub.
Als wir kurz vor Mittag im Chor der Kirche die Führung beendeten, gab mir Katharina Leiser als scheidendem Tourenleiter einen Irischen Segenswunsch mit auf den weiteren Lebensweg. Überdies schenkte sie mir einen Regenschirm mit allen Unterschriften der Teilnehmenden, damit ich auch künftig bei Wind und Wetter, aber auch bei Sonnenschein unterwegs sein könne und geschützt sei. Tourenchef Ruedi Michlig würdigte mit markanten Worten meine Leitertätigkeit und überreichte mir namens des Bergclubs ein Abschiedsgeschenk. Diese ehrende Verabschiedung an diesem symbolträchtigen Ort der Spiritualität und des Gebets hat mich sehr berührt und zutiefst gefreut. Ich kann nur für alle diese Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung danken.
Im anschliessenden Mittagsgebet der ökumenischen Gemeinschaft, die die uralte Gebetstradition des ehemaligen Klosters aufrechterhält, hatten wir im gemeinsamen Gesang und in der Stille Gelegenheit, unseren Gedanken nachzuhängen. Ich sandte spontan ein grosses Dankeschön zum Himmel, dass ich auf allen meinen Touren mit den mir anvertrauten Menschen während 25 Jahren unfallfrei nach Hause zurückkehren durfte. Ich hatte einiges an Zeit und Engagement in meine Leitertätigkeit investiert, wurde aber durch Freundschaften und Anerkennung reich beschenkt. Einen schöneren Abschied hätte ich mir nicht wünschen können. Ich danke allen vielmals für alles.
Nach dem Mittagspicknick, das wir im warmen Saal des Kirchgemeindehauses einnehmen durften, wanderten wir zur Source de la Diaz. Bei dieser Quelle schiesst das Wasser direkt aus dem Boden und bildet sofort einen recht grossen Bach. Ein aussergewöhnliches Naturerlebnis, das einem Teilnehmer spontan das Bild aufkommen liess: „DU bist die Quelle des Lebens.“ Anschliessend wanderten wir zurück zum Ausgangspunkt, dem Bahnhof von Croy. Die verkürzte Wanderung erlaube es, dass wir im Restaurant de la Gare noch einen Kaffeehalt machen konnten.
Behüt‘ Euch Gott! Josef Durrer